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Es ist eine Familiensache

By September 13, 2021Haus der Chance, Stories

Hochverschuldet, von seiner ausbeuterischen Familie im Stich gelassen, hätte Vulko leicht aufgeben können. Aber so stellte er sich sein Leben nicht vor.

 Im Alter von zehn Jahren wurde Vulko vom Sozialamt in Pflege genommen. Er hatte seinen Vater nie kennengelernt und seine Mutter kam weder mit ihm noch mit seinen Brüdern und Schwestern zurecht. Im Waisenhaus in Vratsa wurde Vulko von den älteren Jungen gemobbt und übernahm einige sehr schlechte Angewohnheiten. Ohne positive Vorbilder lernte Vulko, durch Drohungen und Gewalt zu manipulieren.

Aber es gab auch einige Dinge, die positiv waren. So war Vulko zum Beispiel immer bereit, Sachen auszuprobieren. Gutmütig war er auch – aber seine Gutmütigkeit war unter seinem Schmerz und negativem Verhalten begraben. Diese positiven Eigenschaften reichten jedoch nicht aus, als es für ihn an der Zeit war, die staatliche Pflege zu verlassen.

Zuerst versuchte er, im Ausland Arbeit zu finden. Das ging aber leider nicht gut, und er musste ohne Geld und ohne Perspektive nach Bulgarien zurückkehren. Er suchte dann seine Mutter auf; und hier geriet er aufgrund seiner Gutmütigkeit in Schwierigkeiten. Vulko wollte unbedingt seiner Mutter helfen, was von ihr und anderen Familienmitgliedern ausgenutzt wurde. Sie ermutigten ihn, Kredite aufzunehmen und ihnen das Geld zu geben, obwohl sie nicht die Absicht hatten, bei der Rückzahlung mitzuhelfen. So war es natürlich Vulko, der sich verschuldete. Dies, verbunden mit einem Glücksspielproblem, führte dazu, dass Vulko hohe Schulden hatte. Danach schmiss ihn dann seine Familie raus.Ein Freund aus Vulkos Tagen im Waisenhaus erzählte ihm vom Haus der Chance. Vulko und sein jüngerer Bruder Valio, der gerade aus der staatlichen Pflege entlassen wurde, traten im Juni 2018 dem FSCI-Programm bei. Die Zukunft sah endlich besser aus. Und obwohl er lernen würde, wie schwer es ist, schuldenfrei zu werden, fand er endlich, wonach er sich schon lange gesehnt hatte: Menschen, die ihn unterstützen und auf die er sich verlassen kann – eine neue Familie. Jedoch waren Vulkos frühe Tage im Haus nicht einfach.

Die Mitarbeiter konnten seine guten Seiten sehen; trotzdem mussten sie auch mit seinem manipulativen Charakterzug fertig werden und ihm helfen zu lernen, dass die Abwehrhaltung und das bedrohliche Verhalten, die er in seiner Kindheit gelernt hatte, nicht die besten Werkzeuge waren, um das Leben aufzubauen, das er wollte. Durch Vulkos neuen Fokus, was Gutes aus dieser Situation zu machen, konnte er eine Zukunft vor sich sehen, für die es sich zu leben lohnt. In Zusammenarbeit mit dem Haus der Chance-Team hatte er endlich einen Plan, um schuldenfrei zu werden.

FSCI hat eine gute Beziehung zum Hilton Sofia aufgebaut. Die Mitarbeiter dort sind verständnisvoll und bereit, mit jungen Menschen zu arbeiten, die diese zusätzliche Unterstützung brauchen. Vulko begann im Herbst 2018 im Hotel zu arbeiten und kam gut vorn. Er hatte nun einen festen Job und sein Glücksspielproblem im Griff; damit hatte er die nötigen Mittel, um mit der Rückzahlung des Kredits zu beginnen. Als weitere Motivation konnte FSCI die Schulden von Vulko um fast ein Drittel reduzieren. Der Druck war jedoch groß – falls er eine monatliche Zahlung verpasste hätte, hätte Vulko den gesamten ursprünglichen Betrag zurückzahlen müssen. Aber er hat keine einzige verpasst.

Zusammen mit der Unterstützung des Haus der Chance-Teams erhielt Vulko viel Zuspruch von seiner neuen Freundin Yana. Yana, eine Studentin an der Universität Sofia, wuchs ebenfalls in einem Waisenhaus auf und wurde nun von FSCI unterstützt. Anfangs war das Team nicht sehr hoffnungsvoll, dass diese neue Beziehung zwischen den beiden funktionieren würde, aber Yana hatte einen positiven Einfluss auf Vulko und half, seinem Leben mehr Struktur zu verleihen.

Vulko und Yana zeigten, dass sie es ernst meinen. Sie wollten heiraten und eine Familie anfangen.

Anfang 2020 war Vulko auf dem besten Weg, schuldenfrei zu sein. Und kurz bevor COVID zuschlug, heirateten er und Yana. FSCI hatte dem Paar bei der Wohnungssuche geholfen und die erste Monatsmiete bezahlt. Mit der Nachricht, dass Yana schwanger sei, wandten sich das FSCI-Team und ihre Partner des Technologieunternehmens Experian an Unterstützer, die Babyausstattung und Gebrauchsgegenstände spendeten.

Dann kam endlich der Tag, an dem Vulko schuldenfrei wurde! „Es war ein sehr emotionaler Moment für das Team, als Vulko ins Büro kam, um uns mitzuteilen, dass er seine letzten Schulden bezahlt hat!“ erinnert sich Boryana Madzhova, Koordinatorin des Programms Haus der Chance. „Er war sehr dankbar für den ganzen langen Weg, den FSCI mit ihm gegangen ist – kritische Jahre, in denen er nicht zum Opfer wurde, sondern alle Herausforderungen und Verletzlichkeiten überstanden hat.

Junge Menschen, die in Waisenhäusern oder Pflegefamilien aufwachsen, wünschen sich oft eine eigene Familie. Es ist ein starker Instinkt, der durch negative Kindheitserfahrungen nicht leicht gedämpft wird. Unsere Häuser der Chance bemühen sich um eine positive familiäre Atmosphäre. Es ist sicherlich eine Herausforderung, mit jungen Menschen zu arbeiten, die von ihrer Familie verlassen wurden. Aber wir werden diejenigen nicht aufgeben, die Hilfe brauchen. Vulko gab nie auf. Und jetzt, da er Vater von Zwillingen ist, gibt er sie auch nicht auf!